Fukushima hat nachdrücklich gezeigt, dass auch in hochentwickelten Industrieländern große Atom-Katastrophen jederzeit möglich sind. Noch in 170 KM Entfernung könnte eine solche Katastrophe in Deutschland dramatische Eingriffe bis hin zu Umsiedlungen nötig machen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom Herbst 2011. Das BfS hat in dieser Studie - methodisch sinnvoll - nicht einen bestimmten Unfallablauf zugrunde gelegt, sondern für die Reaktoren Unterweser im Norden und Philippsburg im Süden untersucht, welche Ausbreitungen sich auf Basis lokaler Gegebenheiten und Wetterlagen bei einer mit Fukushima vergleichbaren Katastrophe in Deutschland ergeben würden.
Als Grundlage für den Katastrophenschutz ist dies exakter als die bis heute üblichen Wahrscheinlichkeitsrechnungen (Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenshöhe). Vor Harrisburg (1979), Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit der jeweiligen Katastrophen = 0 angegeben, weil diese bis dato nicht eingetreten waren. Entsprechend unvorbereitet waren die verantwortlichen Stellen und die Bevölkerung in der Konfrontation mit den atomaren Katastrophen.
"Der deutsche Katastrophenschutz ist auf ein nukleares Unglück wie in Japan nicht vorbereitet. Ein durchdachter Notfallplan existiert ebenso wenig wie genügend Ausrüstung für den Fall einer atomaren Verseuchung. Eine Evakuierung größerer Städte halten Experten für nicht machbar." ...
"Horst Schnadt, der SSK-Experte für Notfallplanung, legte eine lange Liste zur Prüfung vor. "Dazu zählt auch, die Größe der Evakuierungszonen in Deutschland zu überdenken", berichtet der ehemalige Sachverständige des TÜV." ...
"Der Hamburger Katastrophenschützer Rechenbach geht den Super-GAU fachmännisch an. Er zeichnet in seinem Büro mit Blick über den Hauptbahnhof den Verlauf einer Reaktorkatastrophe: Die Linie steigt stark an und bleibt konstant auf hohem Niveau. "Das ist der Alptraum für uns", gesteht er: "Ein so lang anhaltendes Großschadensereignis frisst unsere Ressourcen in Windeseile auf." ...
"Für den Katastrophensoziologen Wolf Dombrowsky von der Steinbeis-Hochschule in Berlin deutet dies auf ein psychologisches Grundproblem hin: "Weil die Verantwortlichen den GAU als vollkommen irreal aus ihren Köpfen gestrichen haben, bereitet sich auch niemand ernsthaft darauf vor."
aus: Spiegel 18.04.2011, Größter unmöglicher Unfall
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall in Fukushima, Herbst 2011
ZEIT - online: Wie viele Menschen leben im direkten Umkreis von Atomkraftwerken? (interaktive Karte)
Ärzteorganisation IPPNW: Hintergrund Katastrophenschutz
ZEIT - online (31.102012): Schnell alle weg hier! - Ein Gespräch mit Christoph Unger, dem Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
DER SPIEGEL 16/2011: Größter unmöglicher Unfall
Max-Planck-Institut für Chemie Mai 2012: Der nukleare GAU ist wahrscheinlicher als gedacht (direkt zu engl. Studie)